Wenig Netz für Kinder

Ein Überblick zur Kinderseitenlandschaft aus der Sicht des Grimme Online Awards

Es mangelt an guten Seiten für Kinder im Netz. Das belegt ein aktueller Radiobeitrag im Deutschlandfunk – und das beklagen immer wieder auch die Nominierungskommission und die Jury des Grimme Online Award. Dabei wurden seit 2001, dem Geburtsjahr des GOA, mehrere Kinderseiten nominiert oder sogar ausgezeichnet. Ein Blick zurück!

Junge schaut sich am Tablet eine Übersicht der Seitenstark-Kinderseiten an. Bild: Michael Schnell / Grimme-Institut

Junge schaut sich am Tablet eine Übersicht der Seitenstark-Kinderseiten an. Bild: Michael Schnell / Grimme-Institut

„Wir sehen mit Schrecken, dass es immer weniger gute, nicht-kommerzielle Kinder-Internetseiten gibt“, erklärte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks, Holger Hofmann, zum „Tag der Kinderseiten“ Ende Oktober 2024 gegenüber dem Deutschlandfunk. Gleichzeitig forderte er von der Bundesregierung eine nachhaltige Förderung guter Internet-Angebote für Kinder.

Screenshot der Website kidsville.de (web.archive.org)

Screenshot der Website kidsville.de (web.archive.org)

Im Wettbewerb des Grimme Online Award spielten Angebote für die junge Zielgruppe anfangs eine wichtige Rolle. Bereits bei der ersten Verleihung 2001 erhielt das Kinderangebot „Kidsville“ einen Grimme Online Award in der damaligen Kategorie „Medienkompetenz“. Die Jury lobte: „In Kidsville können Kinder ihre ersten Schritte ins Internet machen und werden dabei kompetent begleitet.“ (Das GOA-Blog hat 23 Jahre später mit Anke Hildebrandt, eine der beiden Gründerinnen der „Mitmachstadt für Kinder“, über die Anfänge, die Auszeichnung und das Ende der Website gesprochen.) 2005 wurde die Kindersuchmaschine „Blinde Kuh“ nominiert und erhielt 2006 eine Auszeichnung in der Kategorie „Wissen und Bildung“.

Screenshot der Website seitenstark.de

Screenshot der Website seitenstark.de

Beide Angebote waren 2003 Gründungsmitglieder von Seitenstark, einer Arbeitsgemeinschaft vernetzter Kinderseiten. Bis heute versucht dieser Zusammenschluss, sich gegenseitig bei technischen und inhaltlichen Umsetzungen einzelner Projekte zu helfen und Finanzierungsquellen aufzutun. Seitenstark und weitere Institutionen begrüßten 2007 den Start von „Ein Netz für Kinder“ – einer gemeinsamen Initiative der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), der Politik, der Wirtschaft und Institutionen des Jugendmedienschutzes mit dem Ziel, das Vertrauen von Kindern, Eltern und Pädagogen in das Medium Internet zu stärken. Zum einen schlossen sich hier namhafte Unternehmen und Verbände der Telekommunikationsbranche zusammen, um mit der Kindersuchmaschine „fragFINN“ einen sicheren Surfraum für die Jüngeren zu schaffen. Zum anderen bestand eine weitere Säule in der finanziellen Förderung von qualitativ hochwertigen Internetangeboten für Kinder durch die Bundesregierung. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien stellte dafür jährlich Fördergelder zur Verfügung, was sich dann auch im Wettbewerb des Grimme Online Award niederschlug: bei den Einreichungen ebenso wie bei den Preisträgern. Ein paar Beispiele:

Screenshot der Website wortwuselwelt.de

Screenshot der Website wortwuselwelt.de

2011 erhielt das Kinderangebot „wortwuselwelt“ den Grimme Online Award in der Kategorie „Kultur und Unterhaltung“: „Das Webangebot ‚wortwuselwelt‘ zeigt, wie Kinderseiten auch sein können: Einfach anders.  Ungewöhnliche Spielelemente, die man woanders nicht findet, werden ohne große Erklärungen präsentiert. Die Kinder können ungezwungen die Funktionen, Gedichte und Illustrationen erspielen. Dabei brechen die Macherinnen mit den Klischees von knallbunten Kinderwebsites und Reizüberflutung. Sie setzen künstlerische, abstrakte und kreative Inhalte dagegen. Die Ausdauer, die Kinder – und auch Erwachsene – mit diesem Kreativbaukasten entwickeln, um spannende Ideen zu entdecken, wird mit viel Spaß, Poesie und einfallsreichen Bildern belohnt. Diese können die jungen Nutzer selbst verändern und dadurch wieder neu erfahren“, hieß es in der  Begründung der Jury.

Screenshot der Website junge-klassik.de

Screenshot der Website junge-klassik.de

Mit „Trompis Zeitreise“ wurde 2012 eine Musik-Website der anderen Art nominiert. Die Projektbeschreibung für die GOA-Seite lautete folgendermaßen: „Das Kinderangebot ‚Trompis Zeitreise‘ widmet sich der Entwicklungsgeschichte der Trompete: Von der Ur- bis zur Neuzeit wird in Texten und unterhaltsamen Videos Musikhistorie am Beispiel der Trompete vermittelt. Dabei gehen die Informationen aber weit über die Musik hinaus. Auch über das tägliche Leben der jeweiligen Zeit, die Gesellschaft oder wichtige Erfindungen wird berichtet. Das neu erworbene Wissen können die sechs- bis zwölfjährigen Nutzer in Tests und Spielen erproben.“ „Trompis Zeitreise“ konnte bereits von der Unterstützung durch „Ein Netz für Kinder“ profitieren, wie Jochen Keller, einer der Initiatoren des Angebots, im Interview verrät. Das Angebot gibt es auch heute noch und findet sich auf der Website www.junge-klassik.de.

Screenshot der Website multiverso.de

Screenshot der Website multiverso.de

2012 erhielt „Multiverso – Die Reise zu den Sternen“ eine Nominierung. „In diesem Kinderangebot können sich junge Nutzer als ‚Multinauten‘ erproben und dabei spielerisch naturwissenschaftliche Phänomene entdecken. Ausgangspunkt der Abenteuerreise ist das Labor der Professorin Multiversa Zweistein. Von hier aus müssen die Spieler Missionen erledigen und können mit einem selbst gebauten Raumschiff das Universum erkunden. In dem liebevoll und zielgruppengerecht gestalteten Online-Spiel wird das Wissen über physikalische Gesetze und chemische Zusammensetzungen darüber hinaus mit interaktiven Spielen, Puzzles und kurzen Filmen vermittelt, so ist es lehrreich und zugleich unterhaltsam“, ist in der Projektbeschreibung zu lesen. Im GOA-Blog (das damals noch „quergewebt“ hieß) findet sich auch ein Interview mit Annika Uppendahl, der Illustratorin des noch heute bestehenden Angebots.

Auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beteiligte sich von 2008 bis 2013 an der Förderung der Angebote. Die Initiative „EinNetz für Kinder“ allerdings wurde im Jahr 2019 eingestellt. (Siehe die Meldung bei fragfinn.de).

Screenshot der Seite https://klangkiste.wdr.de/

Screenshot der Seite https://klangkiste.wdr.de/

Neben vielen privaten und zwischenzeitlich geförderten Projekten bieten überdies die Öffentlich-Rechtlichen seit Jahren qualitätsvolle Angebote für Kinder an: 2010 wurde die „WDR Klangkiste“ nominiert. Auf der Website ging es um Zugänge zur vermeintlich „ernsten Musik“: Mit Texten, Audios und Videos wurden in dem damaligen Angebot die Orchester und der Chor des WDR spielerisch vorgestellt. Neben einem Gesamtüberblick über die „Klangkörper“ gab es auch zahlreiche Details zu entdecken.

Das Angebot „Die MausApp“ wurde 2015 nominiert. Sie bot jeweils die letzten zwei Sendungen, zahlreiche Spiele sowie ausgewählte Lach- und Sachgeschichten an – in einer umfangreichen Online- und einer abgespeckten Offline-Version. Die MausApp gibt es bis heute, natürlich mit aktualisierten Inhalten.

2016 erhielt das Museumsangebot „Imagoras – Die Rückkehr der Bilder“ eine GOA-Nominierung: „Die App ‚Imagoras‘ des Städel Museums entführt Kinder und Erwachsene in eine fantasievolle Welt der Bilder, welche – von der Dunkelheit verschluckt – wieder zurück ins Reich der Farben gebracht werden müssen. Auf spielerische Weise lernen Kinder, Kunstwerke genau zu betrachten und ihre Vorstellungskraft einzusetzen. In eine spannende Geschichte gehüllt, erweckt das Spiel Meisterwerke zu neuem Leben und zeigt, wie eine zeitgemäße, kindgerechte Kunstvermittlung funktioniert“, so die Projektbeschreibung.

Screenshot der Website zur KiKaNINCHEN App

Screenshot der Website zur KiKaNINCHEN App

Zwei Jahre später wurde die KiKANiNCHEN-App nominiert: „In der Spiele-App zu ‚KiKANiNCHEN‘ des Kinderkanals können Kinder die Welt des Kaninchens entdecken und interaktiv ihre Phantasie ausleben. Schiffe lassen sich durch Pusten, Singen oder Klatschen beschleunigen, Apfelbäume werden mithilfe des Smartphones geschüttelt und selbst gebastelte Tiere bekommen die Stimme der kleinen Spieler. Die App schöpft alle Möglichkeiten der Interaktivität aus. Im Elternbereich können Profile verwaltet und die Nutzungsdauer der App eingestellt werden“, lautete damals die Projektbeschreibung. Redaktionsleiter Matthias Franzmann erklärte im Blog zum Grimme Online Award, dass die App eher ein „ein Spielzeug zum Entdecken“ sein sollte, mit der das Kind spielerisch lernen könne, „dass man in das Gerät reinsprechen kann, dass es Töne aufnimmt oder dass man durch das Wischen von rechts nach links auf die nächste Seite umblättern kann“. Das Angebot gibt es auch heute noch und bietet Informationen für Eltern und die Möglichkeit zum kostenlosen Download.

Fazit: Deutlich wird zum einen, wie eine nachhaltige Förderung auch qualitativ hochwertige Inhalte für Kinder unterstützen kann, die sich nur bedingt kommerziell finanzieren lassen. Deutlich wird zum anderen, dass es vor allem die Öffentlich-Rechtlichen sind, die ansonsten für hochwertige Inhalte sorgen (müssen), legt man die Einreichungen für den Grimme Online Award zu Grunde. Dabei sollten Kinder nicht nur vor Gefahren geschützt werden, sondern auch in der Lage sein, selbstständig sicher und verantwortungsvoll mit digitalen Medien umzugehen. Gute Kinderseiten können dabei helfen, sie bieten Schutzräume für das gute Aufwachsen im Netz und sind praktische Qualitätserziehung in der Mediennutzung.

Tipp:

Siehe hierzu ergänzend auch den Beitrag von Julia Wilms im Blog „GOA talks“: Grimme Online Award – Kinder & Jugendliche!

Tipp: Wahrheit, Fehler, Fake? – Die Faktenchecks

Im Februar 2023 haben wir uns uns die bekannten Faktenchecks Deutschlands angeschaut und an eine Bewertung getraut: vom Correctiv-Faktencheck bis zum Volksverpetzer.

zum Artikel „Wahrheit, Fehler, Fake? – Die Faktenchecks“

Hinweis zu den Netzblicken des GOA-Blogs

Die Netzblicke widmen sich interessanten Angeboten aus dem laufenden Wettbewerb des Grimme Online Awards, stellen aber auch interessante Websites, Podcasts, Social-Media-Kanäle oder einzelne hervorhebenswerte Reportagen und Beiträge vor.

Die ausgewählten Netzblicke berühren im Übrigen nicht die Entscheidungswege von Nominierungskommission und Jury!

alle Beiträge der Kategorie „Netzblicke“ 

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