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Eine kritische Öffentlichkeit schaffen

Rechtsextremismus, ein wichtiges Thema, das Aufklärung und Debatte erfordert. „Publikative.org„, eine Weiterentwicklung des bereits 2007 für den Grimme Online Award nominierten „NPD-Blog“, informiert umfassend über das politische Geschehen am „rechten Rand“ der deutschen Gesellschaft. Andrej Reisin berichtet, warum es längst nicht mehr nur um Neonazis geht und wie sich das Blog als eine zentrale Informationsplattform über Rechtsextremismus in Deutschland etabliert hat…

Was war der Anlass für die Konzeption Ihres Angebots?
Publikative.org ist ein Fortsetzungsprojekt unseres des von 2005 bis 2011 laufenden Watchblogs „NPD-Blog.info“, der die Entwicklungen rund um die rechtsextreme deutsche Partei NPD beobachtete. Nach mehr als fünf Jahren war das Theme jedoch in gewisser Hinsicht „übersättigt“: Die NPD war fast komplett analysiert, dutzende Bücher und Broschüren hatten sich mit ihr beschäftigt. Die Befunde zur Neonazi-Szene insgesamt wiederholten sich und ein Watchblog, das kaum noch neue Erkenntnisse hervorbringt, wird sinnlos.
Zudem war und ist die NPD aus unserer Sicht nicht das Hauptproblem, sondern die Mehrheitsgesellschaft, in der die NPD und andere Neonazis jahrelang ignoriert, geduldet – oder sogar akzeptiert bis hofiert worden sind. Wie sehr wir damit richtig lagen, zeigte sich dann nur knapp einen Monat nach der Umwidmung des NPD-Blogs in Publikative.org, als am 4. November der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) aufflog: Jahrelang hatte eine braune Terroristenbande unerkannt morden können – auch, weil Gesellschaft, Medien und vor allem die Behörden nie auf die Idee kamen, hinter der Mordserie könnten Neonazis und ihre mörderische, rassistische Ideologie stecken. Mit der Umwidmung in publikative.org wurde das Themenspektrum erweitert, es geht längst nicht mehr nur um Neonazis und Rechtsextremismus, sondern auch um Antisemitismus, um obsessiven Israel-Hass, Verschwörungstheorien, Homophobie, Feminismus, Diskriminierung und Ausgrenzung, um Flüchtlingspolitik, Freiheitsrechte und Polizeigewalt. Die extreme Rechte bleibt ein Schwerpunkt – aber wir wollen überall da präsent sein und Kritik üben, wo – wie es in der Sozialwissenschaft heißt – „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ auftritt. Deshalb verfügen wir auch über ein Autorenpool mit diversen thematischen Schwerpunkten. Das Medium Presse soll die öffentliche Meinung mitprägen und damit auch die Staatsgewalt beeinflussen. Nicht weniger als das wird das Ziel von Publikative.org sein.

Publikative.org Screenshot

Publikative.org Screenshot

Was und welche Zielgruppen wollen Sie erreichen?
Darüber haben wir nicht so viel nachgedacht. Allgemein wenden wir uns an eine kritische Öffentlichkeit, egal welchen Alters, Geschlechts, Hautfarbe, Bildungsstands. Wir begreifen uns als politisches Blog, das politisch-gesellschaftliche Zusammenhänge beleuchten und kritische Debatten führen will. Momentan gruppiert sich unser Lesepublikum um die jüngere Generation der 15 bis 45-Jährigen.

Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Nominierung erfuhren?
Via Facebook-Chat mit meinem Kollegen Patrick Gensing habe ich davon erfahren. Wir wussten nicht einmal, dass uns jemand vorgeschlagen hatte. Im Chat haben wir unserer Freude auch gleich mit Smileys und „Wow“ Ausdruck verliehen. Da der Grimme Online Award grundsätzlich einer der größten Preise ist, die es im deutschen Online-Journalismus zu gewinnen gibt, ist die Nominierung eine große Ehre für uns. Damit geht ein gewisser Anspruch und Druck einher, fortan stets Top-Artikel bringen zu müssen, den man einlösen muss. Die Nominierung kam auch deshalb überraschend beziehungsweise früh für uns, weil das Projekt gerade erst anderthalb Jahre läuft und noch Potenzial hat.

Was bedeutet die Nominierung für die zukünftige Entwicklung Ihres Angebots?
Unser Ziel für 2013 ist ein dringender Relaunch auf der Design-Ebene. Als Non-Profit-Unternehmen sind wir uns bewusst darüber, dass dies noch optimiert werden kann, auch, um neue Nutzer und Anzeigenkunden beziehungsweise Partner zu gewinnen. Wir wollen eine zeitgemäßere, ansprechendere Aufmachung, also beispielsweise mehr Bilder. Auch die klassische, chronologische Blogform soll noch mehr aufgebrochen werden. Obwohl wir in den letzten anderthalb Jahren gewachsen sind und unseren Autorenstamm und damit unser Themenspektrum erweitern konnten, schaffen wir es trotzdem aus personellen Gründen oft nicht, alle Themen umzusetzen, die wir auf dem Tisch haben. Insbesondere im kulturellen Bereich, also im Hinblick auf Literatur, auf Sachbuch-Rezensionen, auf Feuilleton-Diskussionen über Rassismus oder auch im Bereich Medienkritik, sehen wir noch deutliches Entwicklungspotenzial. Themen, die hier bisher lediglich als Schlaglichter Eingang gefunden haben, sollen ebenfalls verstärkt thematisiert werden. Zudem haben wir bereits eine Kommentarfunktion eingerichtet. Problem und Segen zugleich dabei ist, dass sich viele Diskussionen auf Facebook auslagern. Einerseits ist dies schade, weil es von unserer Seite wegführt, andererseits ist Facebook ein essenzielles, wichtiges Tool, da es Leser zieht.

Weitere Statements der anderen Nominierten finden Sie hier.

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