Soziale Medien unter der Lupe
An Facebook, YouTube, Instagram oder Twitter kommt seit Jahren kaum jemand vorbei. Allerdings entscheiden hier nur einige wenige Unternehmen darüber, wie Kommunikation funktioniert – oft nicht zum Wohle der Nutzer*innen. Der Newsletter des „Social Media Watchblog“ bereitet Nachrichten und Debatten rund um Social Media mehrmals wöchentlich auf.
Der „Social Media Watchblog“ ist für den Grimme Online Award 2020 in der Kategorie „Information“ nominiert. Mit dem Gründer und Herausgeber Martin Fehrensen haben wir über die Anfänge des Watchblogs als ambitioniertes Hobbyprojekt, Social-Media-Muffel und Digital Natives gesprochen und warum beide vom Social Media Watchblog profitieren.
Wie kam es zur Entstehung des „Social Media Watchblogs“?
Das Social Media Watchblog gibt es tatsächlich schon seit acht Jahren. Am Anfang stand die Idee, im deutschsprachigen Raum stärker über das Thema soziale Medien nachzudenken. Es gab zwar vereinzelt Artikel, aber nicht einen, sagen wir mal, Hafen für eine Berichterstattung rund um das Thema soziale Medien. Wenn, dann ging es immer stark darum, wie soziale Medien Marketing verändern, aber nicht so sehr, was Social Media eigentlich mit der Gesellschaft, mit politischer und wissenschaftlicher Kommunikation etc. macht. Dafür wollten wir eine Website bauen und dort ordentliche Artikel recherchieren und publizieren, mussten aber schnell feststellen, dass es neben der eigentlichen Arbeit damals – beim ZDF und beim Kollegen Konrad Weber beim SRF – in der Form gar nicht machbar war. Deshalb entstand die Idee, einen kuratierten Überblick in Form eines Newsletters zu schaffen, der ein- bis fünfmal wöchentlich Interessierte darüber in Kenntnis setzt, was in den sozialen Medien passiert und was das mit Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft zu tun hat.
Wer ist alles an dem Blog beteiligt?
Gestartet habe ich das Projekt damals mit Konrad Weber aus der Schweiz. Das war eine Twitter-Bekanntschaft, wir haben uns tatsächlich auch nach acht Jahren noch nie persönlich getroffen, das hat sich einfach nie ergeben. Konrad ist lange Zeit dabeigeblieben, irgendwann aber berufsbedingt ausgeschieden. Über die Jahre haben wir ein Kollektiv mit unterschiedlichen, vielfach jüngeren, Autor*innen auf die Beine gestellt, die sich einerseits redaktionell betätigt, andererseits aber auch ganz konkret Newsletterausgaben verfasst haben und die alle on und off mit dabei waren. Aktuell betreiben aber Simon Hurtz, Tilmann Wagner und ich dieses Social Media Watchblog und machen alles mehr oder weniger in Personalunion.
Wie hoch ist der Rechercheaufwand pro Newsletter?
Social Media Watchblog ist auf jeden Fall ein Fulltime-Job. Wir sind die ganze Woche damit beschäftigt, die aktuellen News, Debatten und dergleichen im Blick zu behalten. Wir sichten permanent Artikel, nutzen Twitter sehr intensiv zur Quellenrecherche und sind die ganze Woche über damit konfrontiert, Nachrichten zu sichten, zu verstehen und einzuordnen. Deswegen ist es kein normaler Nine-to-five-Job, sondern echt eine Menge Holz, gerade für mich als Herausgeber, der sich noch um Leserfragen, Kooperations- und Aboanfragen kümmert.
Welche Zielgruppe wollen Sie erreichen?
Das Social Media Watchblog wird tatsächlich in erster Linie von Medienprofis gelesen. Wir haben eine relativ spitze Zielgruppe, das sind Medienschaffende aus dem Journalismus oder der Agenturwelt. Es sind aber auch viele Politiker*innen dabei, die sich dafür interessieren, wie sie Bürger*innen erreichen. Auch Wissenschaftler*innen, die sich mit Themen wie Desinformation oder Algorithmen beruflich auseinandersetzen, benutzen das Social Media Watchblog, um die ganzen Debatten im Blick zu behalten. Es gibt auch Leser*innen, die sich aus privatem Interesse heraus mit diesen Dingen beschäftigen. Aber generell ist es tatsächlich eher ein Fachpublikum.
Ein Social-Media-Muffel könnte glauben, dass bei Social-Media nicht genug passiert, um einen Newsletter mehrfach die Woche zu füllen. Was halten Sie dagegen?
Soziale Medien sind zu einem elementaren Bestandteil unseres gesellschaftlichen Miteinanders geworden, sämtliche kommunikativen Prozesse finden über soziale Medien statt… Journalismus ist nach wie vor immens wichtig, aber man sieht es ja: Politiker*innen, Künstler*innen, Stars richten ihre Botschaften an den traditionellen Medien vorbei, direkt an ihr eigenes Publikum – häufig unwidersprochen. Das sind lauter Prozesse, die man im Blick haben muss, die etwas mit Kommunikation und der Art und Weise, wie Demokratie funktioniert und Debatte gelebt wird, machen. Es herrscht häufig noch viel Unverständnis darüber, was eigentlich das Interesse der Plattform in diesem Prozess ist: Will die wirklich immer nur diese ominösen, bösen Daten sammeln? Möchte sie vielleicht wirklich die Menschen miteinander vernetzen? Da geht unser Blick seit Jahren hin und wir versuchen nicht nur zu schauen, was grade trendet oder viral geht, sondern die Strukturen offenzulegen, zu analysieren und kritisch zu hinterfragen, was das mit uns als Konsument*innen, aber auch mit der Anbieterseite macht, in welchem Wettbewerbsdruck die Plattformen sich befinden, wie sie reguliert werden und was die politischen Zusammenhänge sind.
Auf der anderen Seite der Social-Media-Muffel stehen die Digital Natives, die vielleicht meinen, sie hätten soziale Medien schon komplett durchschaut. Warum sollten auch die Sie abonnieren?
Die lesen wahrscheinlich alle schon diesen Newsletter (lacht). Wir sagen manchmal so salopp, dass wir Influencer-Influencer sind. Wir versuchen eine Vogelperspektive zu liefern, eine Grundlage, auf der man gut agieren kann, egal ob als Politiker*in, als Agentur, oder auch als Journalist*in, der einerseits verstehen muss, was es faktisch mit den sozialen Medien auf sich hat, aber auch dafür Sorge tragen muss, dass seine Medieninhalte beim Publikum landen. Von daher haben wir da ein Thema, was den Nerv trifft, viele Menschen interessiert und auch viele Digital Natives an der einen oder anderen Stelle noch überraschen kann.
Wie sieht Ihr Finanzierungsmodell aus und wie kommen Sie damit zurecht?
Das Social Media Watchblog hat als ambitioniertes Hobby-Projekt angefangen und war nicht als kommerzielles Projekt gedacht, sondern wirklich eher als etwas, was wir aus Interesse machen. Wir wurden dann oft gefragt, wie es sein kann, dass wir das alles schaffen, dass es so viel Aufwand kostet und trotzdem kostenfrei ist. Irgendwann gab es dann die rein technische Möglichkeit, Menschen dafür zu begeistern, ein Abo abzuschließen. Das funktioniert tatsächlich erst seit zwei, drei Jahren bei Plattformen wie Steady aus Berlin oder Patreon aus den USA. Dort ist es Independent-Publishern und Medienschaffenden ermöglicht, ein Publikum für sich zu begeistern, das monatliche Beträge bezahlt. Das ist die eine Seite der Medaille, und die andere ist die, dass wir Firmen-Abonnenten haben. Das heißt, wir laden Verlage und Agenturen ein, für ihre Mitarbeiter ein Abo abzuschließen. Das ist das zweite große Standbein, mit dem wir gut leben und wirtschaften können. Mit dem Projekt, so wie wir es momentan gestalten, können wir sehr, sehr unabhängig journalistisch agieren – das ist sehr angenehm.
Ein sehr gutes Projekt, welches die Nominierung sicher verdient hat!
Diesen Newsletter habe ich immer mit viel Interesse gelesen als ich hauptberuflich noch bei Publcis PR gemacht habe. Man bekommt wirklich tolle Einblicke in die Welt des Social Media. Leider ist das Abo nun bei Jung von Matt nicht mehr inkludiert… :-(