Ein Leitfaden für die Revolution im Iran
Als Iranerin, die nach Deutschland ausgewandert ist, wurde mir schon in jungem Alter bewusst, dass die westlichen Medien nicht wirklich viel über die politischen Ereignisse im Nahen Osten berichten. Die meisten Nachrichten beziehen sich auf die weltweit aktuellen Ereignisse, so wird man höchstens grob informiert. Täglich sehe ich in Posts und Stories meiner Freunde in den sozialen Medien, was gerade im Iran passiert. Gleichzeitig macht es mich traurig darüber, dass die westlichen Medien so wenig über die schlimmen Ereignisse berichten. Meinen persönlichen Medienkonsum erhalte ich über iranische Seiten auf unterschiedlichen Plattformen. So bin ich auf den Podcast „Das Iran Update“ gestoßen. Eine gute Quelle für Menschen, die nicht Farsi sprechen und demnach auch die iranischen Medien nicht verfolgen können. In dem Podcast bekommt man ein wöchentliches Update, sowie eine Einordnung der Nachrichtenlage.
Gilda Sahebi und Sahar Eslah, zwei Deutsch-Iranerinnen, haben mit ihrem Podcast eine Plattform geschaffen, über die man nicht nur über die aktuellen revolutionären Bewegungen im Iran informiert wird, sondern auch die Verknüpfungen der Ereignisse erklärt bekommt. „Das Iran Update“ ist für den Grimme Online Award 2023 in der Kategorie „Information“ nominiert.
Was war der ursprüngliche Anstoß für euren Podcast?
Sahar Eslah: Gilda und ich sind beide Deutsch-Iranerinnen und fast im gleichen Alter nach Deutschland ausgewandert. Wir haben uns damals über ein anderes Projekt kennengelernt. Als die revolutionären Bewegungen im Iran begannen, haben wir Posts auf Instagram und Twitter verbreitet. Ich fühlte mich dazu verpflichtet, diese Nachrichten über den Iran zu teilen. Irgendwann im November habe ich von deutschen Freund*innen gehört, dass es wirklich toll ist alles zu posten, aber man würde nicht viel verstehen. Die Posts waren von iranischen Nachrichtenagenturen wie 1500Tasvir und BBC Persia oder anderen Seiten. Die nicht Farsi sprechenden oder nicht kulturell sensibilisierten Menschen konnten diese Flut an Nachrichten nicht verstehen. Wir kamen dann auf die Idee, in kurzen, wöchentlichen und regelmäßigen Episoden, diese Nachrichten einzuordnen. Die erste Folge wurde am 15. November veröffentlicht und da war in der Tat das Bedürfnis, einem breiteren, nicht nur iranischen Publikum, von der aktuellen Lage zu berichten, weil die deutschen Medien nicht viel darüber berichtet haben. Mittlerweile gibt es auch andere Podcasts, diese beziehen sich jedoch eher auf ein spezifisches Thema. Diese Themen beinhalten Berichte über die politische Gefangene oder sind Einzelstücke, wie das auslandsjournal oder der Weltspiegel mit Natalie Amiri. Ich kenne im deutschsprachigen Raum sonst kein Format, in dem eine kontinuierliche Übersicht über die Nachrichten gegeben wird.
Das Cover erinnert an eine Frau, die sich auf den Kampf vorbereitet. Warum habt ihr euch für dieses Cover entschieden?
Sahar Eslah: Das ist das Grafiklayout eines echten Fotos aus der Revolution. Es zeigt die junge Frau Hadis Najafi. Sie wurde am Anfang der Revolution von Regimekräften getötet. Auf dem Foto befindet sie sich bei den Straßenprotesten und bindet sich die Haare zurück und rückt ihre Brille zurecht. Danach wurde sie umgebracht. Es gibt auch ein Bewegtbild von dieser Situation. Für mich ist sie ein Sinnbild der Revolution.
In letzter Zeit wird in den deutschen Medien immer weniger über die aktuelle Lage im Iran berichtet. Würdet ihr sagen, dass der Podcast auch für Menschen, die sich mit dem Thema zum ersten Mal beschäftigen möchten, ein guter Anfang ist?
Sahar Eslah: Ich glaube, grundsätzlich bietet es sich an erstmal bei null anzufangen, mit oder ohne Podcast. Man kann nicht bei irgendeiner Folge einsteigen, ohne zu wissen, was am 16. September 2022 passiert ist. Dementsprechend wird ein gewisses Vorwissen vorausgesetzt, bevor man in die aktuelle Folge reingeht. Das gilt allerdings für jede Art von Medienkonsum und viele weitere politische Themen. Wenn man den Podcast seit der ersten Episode verfolgt, ist er für jeden zugänglich. Womit Nicht-Iraner wahrscheinlich die größten Probleme haben werden, sind die Namen. Manchmal werden zu viele Namen erwähnt. Das kann einen irritieren. Wir bekommen auch öfter das Feedback, dass wir ohne gehobenen Zeigefinger berichten und einordnen. Ich finde das sehr schön, weil es natürlich das ist, was wir wollen. Das ist die Kombination aus Gilda und mir. Sie ist hauptberuflich Journalistin. Sie berichtet natürlich nicht nur über den Iran, aber aktuell eben sehr viel. Ich mache das nicht hauptberuflich. Für mich ist das etwas, was ich neben meinem Beruf mache. Für die Zuhörer*innen bin ich vielleicht eher in einer Zwischenrolle und stelle die Fragen, die sie sich stellen würden. Da ich z.B. mehr als einige Freund*innen weiß, aber weniger als Gilda, die sich tagtäglich mit dem Thema beschäftigt und auch Kontakte in den Iran hat.
In den ersten Folgen wurden vor der Thematisierung von Hinrichtungen und Gewalt keine Trigger-Warnungen ausgesprochen. Warum wurde das erst später eingeführt?
Sahar Eslah: Wir wussten, dass es kein positiver Podcast ist. Es gab eine Folge, die thematisch sehr hart war und da haben wir uns dazu entschieden, eine Content Note vor jede Folge zu setzen. Wir hätten das aber von der ersten Folge an machen müssen. Man muss aber dazu erwähnen, dass der Podcast keine Idee war, die wochenlang geplant wurde. Als die Revolution anfing, haben wir versucht über unsere privaten Kanäle darüber zu berichten. Da habe ich auch nie eine Content Note gemacht. Ich erinnere aber daran, wie ich damals etwas auf Instagram gepostet habe und das für mich persönlich so schlimm war, dass ich eine große Trigger-Warnung darüber gemacht habe, so dass man den eigentlichen Beitrag nicht mehr sehen konnte.
Wie lange, glaubt ihr, werdet ihr den Podcast noch weitermachen?
Sahar Eslah: Es ist in der Tat ein Open-End-Podcast und auch nach dem Sturz des Regimes wird die Zeit besonders spannend. Rede- und Einordnungsbedarf besteht weiterhin, von daher kann ich mich nicht festlegen, wie lange der Podcast noch laufen wird. Es passieren täglich neue Dinge im Iran. Bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass wir keine Themen mehr zum Berichten haben. Unsere Aufgabe ist es zu sehen, was für unser Publikum relevant ist und was man in den Kontext bringen kann. Sie ist wichtig, eine Herausforderung und viel intensiver zu recherchieren. Es ist vermeintlich weniger oberflächlich als am Anfang, als es erst mal darum ging Verständnis zu schaffen. Jetzt geht es darum, mehr und tiefer in die Themen zu gehen und die Details einzuordnen.
Was erhofft ihr euch für die Zukunft des Irans?
Sahar Eslah: Es ist relativ naheliegend, was wir uns wünschen. Ich wünsche mir, dass die Menschen in Iran in Freiheit leben können. Ich gehe davon aus, dass das Land frei sein wird. Für mich steht das nicht mehr zur Debatte. Die Frage ist wann und zu welchem Preis. Als ich neulich mit jemandem aus dem Iran telefoniert habe, der seit kurzem erst hier lebt, habe ich ihm die gleiche Frage gestellt. Was seine Wünsche sind und was er glaubt, wie die Zukunft im Iran aussieht. Er war davon überzeugt, dass das Gefühl von Freiheit, was entstanden ist, seitdem die Frauen ohne Hijab auf die Straße gehen oder das Gefühl, wenn man sich gegen die Regimekräfte stellt, indem man auf den Straßen tanzt und singt, nicht mehr umkehrbar ist. Ich wünsche mir nicht nur für den Iran Freiheit, sondern auch für alle Menschen weltweit. Wenn man einmal eine Vorstellung von Freiheit hat, dann gibt es keinen Weg mehr zurück.
Das Interview führte Parnian Farajollahi. Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen im Bachelor-Studiengang „Mehrsprachige Kommunikation“ an der TH Köln.
Zusätzlich ist ein kurzes Videointerview zum Projekt entstanden, realisiert von Studierenden des BA Intermedia an der Universität zu Köln:
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