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Raus aus der Ohnmacht

Collage der #GOA21 Vorschläge: Empowerment-Formate

Vor circa einem Jahr führten wir ein Interview mit Ciani-Sophia Hoeder, der Gründerin von RosaMag, dem ersten deutschen Online-Magazin für afrodeutsche Frauen, welches im selben Jahr für den Grimme Online Award nominiert war. Ihr Motivator war hierbei, dass die Lebenswelt Schwarzer Frauen in den deutschen Medien unterrepräsentiert ist:

„[…] [E]s braucht diesen digitalen Raum, wo Schwarze Frauen sich gegenseitig informieren, inspirieren und empowern, aber auch vernetzen können.“ (Ciani-Sophia Hoeder)

Empowerment ist – neben Corona – auch eins der Stichwörter des Jahres 2020. Viele bunte und diverse Formate wurden ins Leben gerufen, die marginalisierten Gruppen und zu wenig gehörten Menschen eine Stimme geben. Wir werfen in diesem Artikel einen genaueren Blick, welche Empowerment-Formate sich im Wettbewerbsspektrum des Grimme Online Award 2021 finden und womit sie sich inhaltlich auseinandersetzen.

Black Empowerment

Screenshot Podcast „tupodcast“ von Tupoka Ogette

Mit dem durch Polizeigewalt verursachten Tod von George Floyd am 25. Mai 2020 fand die #BlackLivesMatter-Bewegung ihren Höhepunkt. Weltweit wurden Demonstrationen gegen Polizeigewalt und Rassismus organisiert und somit ein Zeichen für Solidarität, Antirassismus und Nächstenliebe gesetzt. Die durch jene Bewegung erfahrene gemeinschaftliche Stärke und damit geförderte Handlungsfähigkeit spiegelt sich auch in der Podcast-Landschaft wider. So hat die Anti-Rassismus-Trainerin und Autorin Tupoka Ogette, die für ihren vielfach rezensierten Spiegel-Bestseller „Exit Racism – rassismuskritisch denken lernen“ bekannt ist, 2020 den Podcast „tupodcast“ gestartet. In diesem führt sie Gespräche mit anderen Schwarzen Frauen zu ihrem Werdegang und ihren Erfahrungen. DiasporART ist ein weiterer Podcast über Artists of Color in Deutschland, der von der Cosmo-Journalistin Marianna Deinyan moderiert wird. Sie spricht mit Künstler*innen und Kreativen über den deutschen Kulturbetrieb.

Um Alltagsrassismen sichtbar zu machen, hat es sich Dominik Lucha zur Aufgabe gemacht, rassistische Erfahrungen von schwarzen Menschen auf seinem Instagram-Kanal „Was ihr nicht seht“ zu veröffentlichen. Alle Beiträge sind bezeichnend in weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund geschrieben. Einen gewagten Selbstversuch hat Leon Enrique gestartet: Der Schreiber und Fotograf begibt sich bei seiner „Reise nach Germania“ in die Studentenverbindungen des Landes, ohne vorher seine Hautfarbe mitzuteilen und wagt sich somit in teils rechtsextreme Gefilde, so Enriques Eindruck. In regelmäßigen Abständen erzählt er nun von seinen Erfahrungen und eröffnet Einblicke in deutsche Studentenverbindungen als People Of Color.

Screenshot #Sitzplatzreservierung im Instagram-Feed von Aminata Belli

Für Furore sorgten gleich mehrere Sendungen für ihren unsensiblen Umgang mit dem Thema Rassismus und Gendersprache. Als Reaktion auf Sandra Maischbergers Sendung vom 03.06.2020, in der Rassismus thematisiert werden sollte ohne eine von Rassismus betroffene Person einzuladen, riefen die beiden Journalistinnen Aminata Belli und Hadnet Tesfai das Instagram-Live-Format #Sitzplatzreservierung ins Leben. Hier wird schwarzen Menschen eine Bühne geboten, doch auch viele weiße Menschen kommentieren die Gesprächsrunde als bereichernd. Ebenso große Wellen schlug kürzlich die WDR-Sendung „Die letzte Instanz„, in der Steffen Hallaschka mit vier weißen, deutschen Prominenten über das Gendern und rassistische Wörter im deutschen Sprachgebrauch debattierte. Kurzerhand entwickelt Enissa Amani die YouTube Sendung „Die Beste Instanz“ als Gegenentwurf. Hier äußern sich fünf Gäst*innen, darunter der Autor Max Czollek, Nava Zarabian aus der Bildungsstätte Anne Frank, der sich für Roma und Sinti einsetzende, homosexuelle Comedian Gianni Jovanovic, der Journalist Mohamed Amjahid sowie die Kommunikationswissenschaftlerin Natasha A. Kelly fundiert zu den in der Sendung besprochenen Themen.

Auch eingereicht wurde „Willkommen Zuhause„, ein anti-rassistischer TikTok-Kanal der Mediengruppe RTL. Dieser soll die Kommunikation für BiPoC User*innen und weiße User*innen erleichtern. In kurzen TikTok-Videos bildet Kémi Fatoba, freie Autorin und Journalistin, die Zuhörer*innen in anti-rassistischem Verhalten und zeigt beispielsweise auf, wieso die Frage: „Wo kommst du her?“ nicht richtig ist oder was „Blackfishing“ bedeutet.

Proud to be proud

Screenshot des Online Magazins „.divers“

BBQ – Der Black Brown Queere Podcast“ handelt nicht nur von Black Empowerment, sondern auch von der Unterstützung der queeren Community. Aktivist Zuher Jazmati und Veranstalter Dominik Djialeu stellen ihre Folgen unter Mottos wie: Queer Loneliness oder die Verträglichkeit von Islam und Queerness. Ein weiterer Podcast rund um Queerness und LGBTIQ wird von dem Nollendorfblogger Johannes Kram gehostet. In „Queerkram“ kommen namhafte Gesprächspartner*innen wie der Politiker Kevin Kühnert oder der Influencer Riccardo Simonetti zu Wort und sprechen mal über ernste Themen wie queerfeindlichen Terrorismus, aber auch über das Schöne am Anderssein und queere Vorbilder. Mit Trans-Sein und der Identitätsfrage setzen sich zwei Trans-Personen im gleichnamigen Podcast „trans sein“ auseinander. Wer sich rund um das Thema lieber einlesen statt hören will, wird im Online Magazin „.divers“ fündig. Jugendliche werden in diesem Magazin zudem dazu ermutigt, die Website in Zusammenarbeit mit der Redaktion mitzugestalten. 

Gegenuns.de„– ist eine Webdokumentation und ein Gemeinschaftsprojekt des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e. V. und der Opferberatung „Support“ des RAA Sachsen e. V. Regie führt Julia Oelkers, die bereits im letzten Jahr für die Mitkonzeption der Webseite „Eigensinn im Bruderland“ in der Kategorie Wissen und Bildung mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. In Episoden werden Erlebnisse und Erfahrungen rechter Gewalt von Betroffenen und Angehörigen erzählt. Ein weiteres eingereichtes Angebot, das sich auf queere Vorbilder spezialisiert, ist der Twitter-Account von Olivian. Mit dem Hashtag #QueerHistoryBerlin hat er einen Megathread über 23 queere Persönlichkeiten in Berlin erstellt und auch darüber hinaus weitere Wellen geschlagen. 

„Who runs the world?“

Twitter-Feed „Frau Abgeordnete“ von Laura Baumgarten

„Girls“ – singt die Pop-Sängerin Beyoncé selbstbewusst! Faktisch gesehen ist das jedoch nicht ganz wahr, da die Regierungen der Welt mehrheitlich heteronormativ und männlich geprägt sind. Die nächsten Angebote stellen starke weibliche Persönlichkeiten der Geschichte vor, die, in die Zukunft blickend, auch vermehrt einen Platz finden sollen. Dazu gehört zum Beispiel der Instagram-Kanal Frauengeschichtevom Bayerischen Rundfunk. Ähnlich wie in „Frauengeschichte“ werden in ““Frau Abgeordnete“ auf Instagram und Twitter außergewöhnliche Persönlichkeiten hervorgehoben, wobei hier eine Spezialisierung auf weibliche Abgeordnete der Weimarer Republik von 1919-1933 vorgenommen wurde. Laura Baumgarten möchte damit Frauen in einem tragenden Abschnitt der deutschen Geschichte sichtbar machen. Eben jene Sichtbarkeit könnte mit einer gesetzlichen Regelung einer Frauenquote erhöht werden. Einige prominente Vertreterinnen stellen sich in der stern-Kampagne „Ich bin eine Quotenfrau“ vor und setzen sich für die Entstigmatisierung des Begriffes Frauenquote ein. 

Welche Pharaonin wurde eigentlich aus der Geschichte gelöscht und welchen Widerstand hat Margarete Steiff geleistet? All das erfährt man im Podcast „HerStory„, sowie dem dazugehörigen Twitter-Hashtag  #Frauengeschichte. Es gibt noch viele weitere feministische Podcasterinnen, darunter auch „die podcastin„. Die zwei Doktorinnen geben einen fundierten Wochenrückblick mit Themen, die aus feministischer Sicht diskutabel sind. Weiter zurück in der Historie geht Bianca Walther mit der Geschichte der lesbischen Frauen(rechtlerinnen). Mit Gäst*innen unterhält sie sich im Podcast „Frauen von damals“ über Grenzüberschreiterinnen und Revolutionärinnen.

Um die Sicherheit und den Schutz von Frauen vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zu gewährleisten, werden weltweit Maßnahmen getroffen und Projekte initiiert. „Ohne Frauen kein Frieden“ ist eine digitale Ausstellung, in der 30 dieser Projekte, welche 2020 vom Auswärtigen Amt gefördert wurden, vorgestellt werden. 

Screenshot „Männerkitsch“-Podcast von funk

Sich kritisch beleuchtend und von der anderen Seite positionierend sprechen  Ansgar Riedißer und Max Deibert in ihrem von funk produzierten Podcast „Männerkitsch“ über ihre persönliche Sozialisation als Männer und ihre Entwicklungs- und Verstehensprozesse dahinter. Hier erfährt man beispielsweise, ob es noch Gentlemen in dieser Welt braucht oder wie „Männlichkeit“ und die Pornoindustrie miteinander einhergehen.

„In China ist ein Sack Reis umgefallen.“

Screenshot „Sack Reis – Was geht dich die Welt an?“ – Podcast von Das Ding

Diese Redewendung gilt sinnbildlich als Metapher für ein unwichtiges Ereignis. Oder als Anlass, einen Podcast zu starten: Denn Merve Kayikci, Malcolm Ohanwe und Ramin Sina sind der Meinung, dass uns das sehr wohl etwas angeht, wenn in China ein Sack Reis umfällt. Weshalb? Das zeigen sie in ihrem Podcast „Sack Reis- Was geht dich die Welt an?“ von Das Ding, in welchem sie junge Menschen aus aller Welt interviewen, die bei aktuellen und politischen Ereignissen mit betroffen waren. Wie es ist, als Feministin in Kairo zu leben oder als junger Mensch während der Explosion in Beirut dabei gewesen zu sein, erfährt man dort.

Die Pandemie hat vielerorts den Zusammenhalt von Gemeinschaften hervorgebracht, doch ebenso auch die Abgründe – von Alltagsrassismus bis hin zu Fremdenhass. Besonders stark betroffen während dieser Krisenzeit sind asiatische Menschen, da ihnen vorgeworfen wird, das Virus verbreitet zu haben. „Ich bin kein Virus“ – ist nicht nur ein Hashtag, sondern auch eine Plattform, die als Sprachrohr für Opfer von anti-asiatischem Rassismus dient. Betroffene können ihre Erlebnisse einsenden, damit diese auf der Plattform geteilt werden. Die Message dahinter: Du bist nicht allein!

Unter den Vorschlägen des diesjährigen Grimme Online Award finden sich zudem viele Podcasts, in denen sich in Deutschland lebende Menschen mit internationalem Hintergrund über ihr Großwerden in zwei oder mehreren Kulturen austauschen. Dazu gehören beispielsweise die zwei Bremer Podcasts „Chai Society“ von Refiye und Soraya sowie „Kanackische Welle“  von Malcolm Ohanwe und Marcel Aburakia. Auch der „Dauernörgler Podcast“ – mit Ever Güvercin, Engin Karahan und Murat Kayman befasst sich mit eben diesem Thema. Zu unbeachtet fühlen sich auch die in Wien lebenden Rom und Romnja-Aktivist*innen. Sie setzen sich für ein zentrales Mahnmal ein und haben dafür die Website „Rom*nja“ erstellt. Hier zeigen sie Orte der Erinnerung an Rom*nja, um ihre Geschichte in Deutschland sichtbar zu machen. 

Nichts über uns ohne uns!

Screenshot BR2-Podcast „Die Neue Norm“

Unter diesem Motto läuft der Podcast „Echt behindert – Der Podcast zu Barrierefreiheit und Inklusion„, denn viel zu häufig werden Gespräche über Inklusion geführt, ohne dabei die Betroffenen zu >>inkludieren<<. Der blinde Moderator Matthias Klaus lädt deshalb zweiwöchentlich Menschen mit Behinderung, Behindertenaktivist*innen, Sozialarbeiter*innen und Verantwortliche ein. Einen Ort der Begegnung stellt auch der Podcast „Inklusivminuten“ von Sascha Kirchhoff dar. Hier lädt er regelmäßig Menschen mit Behinderung ein und interviewt diese. Kurz und knapp stellt er Fragen bezüglich der Behinderung oder auch philosophische Fragen wie „Macht Geld glücklich?“. Er führt ebenfalls den Instagram-Kanal „stimmgeber”, wo er Menschen mit Behinderung vorstellt.

„Was ist schon normal?“, fragen sich auch Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raúl Krauthausen in ihrem neuen BR-Podcast „Die neue Norm“ und erklären dabei gemeinsam Begriffe wie internalisierter Ableismus oder debattieren zu Vor- und Nachteilen von Hilfsmitteln. „Inklusions-TV.“ befasst sich sowohl mit gelungenen Beispielen für Inklusion als auch einstellungsbedingten Barrieren in der Gesellschaft. Christoph Goldbeck filmt und veröffentlicht diese Projekte. 

Das war soweit ein kleiner Überblick der Vorschläge des Wettbewerbs 2021, in denen das Empowerment marginalisierter Gruppen im Vordergrund steht. Der Artikel hebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und auch keine Wertung der Einreichungen.

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