Deutschrap als Querschnitt der Gesellschaft
Deutschrap und Politik, Kunst und Identität – Hubertus Koch setzt sich mit seinem YouTube-Format „Einigkeit & Rap & Freiheit“ mit einem Land auseinander zwischen Heimatminister und Alltagsrassismus, zwischen Ruhm und der gesellschaftlichen Verantwortung des Einzelnen. Deutscher Hip Hop spielt in Hubertus Kochs Leben eine zentrale Rolle. Ansprache, Attitude und Haltung dieses Genres haben ihm in persönlichen Krisen geholfen und auch das Image des Kanals geprägt. Jetzt will Koch von Rappern wissen, wie sie mit der Verantwortung umgehen, die ihre große Reichweite mit sich bringt.
Der Kanal „Einigkeit & Rap & Freiheit“ ist für den Grimme Online Award 2019 in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert. Im Interview spricht Hubertus Koch über die Entstehung des Kanals, seine Arbeit mit „funk„, einem Online-Angebot von ARD und ZDF für junge Leute, und über die Wahrnehmung von Deutschrap in der Gesellschaft.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, euren Kanal „Einigkeit & Rap & Freiheit“ zu nennen?
Die Idee entstand in einem Brainstorming, in dem klar war, dass wir ein Format machen, das sich sowohl mit Hip Hop als auch mit Gesellschaft und vor allem deutscher Gesellschaft beschäftigt. Wir wollten nicht nur Rap-Interviews machen, sondern auch mal nach links und rechts ausbrechen, und so kamen wir auf die drei Säulen. Wir haben Rap und Freiheit, ich kann also auch mal über mein Auto erzählen oder zeigen, wie ich zum Schalke-Spiel fahre. Mit Einigkeit klären wir die Frage, welche Konflikte und Probleme es in Deutschland gibt. Darüber reden wir auch am meisten mit den Musikern.
Welche Szenegrößen haben dich inspiriert, dich mit der Kultur und dem Genre auseinanderzusetzen?
Das sind unter anderem O-Ton-Geber Celo & Abdi und Xatar der Serie „Das ist Rap!“, die der Startschuss des Channels war. Aber generell geht es mir beim Rap um die Attitüde, dass man alles erreichen kann; groß zu denken und sich nicht klein zu machen. Das wird vor allem in der Musik verkörpert. Mit unserem Kanal verstecken wir uns nicht – genau wie die Rapper.
Wie stehst du zu umstrittenen Inhalten im Rap? Wo siehst du die Grenze zwischen Kunstform und Geschmacklosigkeit?
Das ist gerade durch die aktuellen Fälle ein sehr großes Thema. Ich finde, dass die Kunst einfach erst mal alles darf, solange sie als solche gekennzeichnet ist. Schwierig wird es, wenn gerade frauenverachtende und gewaltverherrlichende Texte nicht nur eine Wut oder einen Zorn des Rappers in die Musik kanalisieren, sondern wenn rauskommt, dass Kunstfigur und Klarperson ziemlich nah beieinander sind oder sich eins zu eins decken. Es ist einfach schwierig, wenn die Grenzen verschwimmen und der Künstler nicht erklären kann, warum er was schreibt, textet oder reimt. Sich hinter der Punchline zu verstecken und zu sagen, es sei Kunst, scheint oft ein Freifahrschein für alles zu sein.
Wie gut passt „funk“ als öffentlich-rechtlicher Kanal zu einer Kultur wie Deutschrap und Hip Hop?
Mit „funk“ zu arbeiten ist sehr cool, da ich beim Channel sehr viele Freiheiten habe und mir wenig reingeredet wird. Was aber schon zu Kollisionen führt, ist, Deutschrap und öffentlich-rechtliche Standards zusammenzubringen. Das sind oft einfach Antagonisten, die sich ausschließen. Mit Drogenkonsum, Alkoholkonsum und mit all dem, was in dieser Rap-Welt relativ normal ist, ist es manchmal schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Es ist der Konflikt zwischen Bildungsauftrag und Jugendschutz und einem authentischen Abbild der Rap-Welt. Aber auch hier muss man anmerken, dass Radio Bremen unter den öffentlich-rechtlichen Anstalten einer der liberalsten und mutigsten Sender ist und ich meine Grenzen ziemlich weit ausloten konnte.
Was ist euer Erfolgsrezept?
Das Erfolgsrezept ist, dass ich mit meinen sehr oft impulsartig entstehenden Ideen und meiner Wankelmütigkeit von einer Redaktion ausgehalten und unterstützt werde. Die reagieren immer sehr gut und machen sehr viel mit, was man in anderen Redaktionen nicht mitmachen würde. Darüber hinaus sind Leute im Hintergrund, die handwerklich wissen, was sie tun. Sei es ein Cutter, sei es ein Kameramann, seien es Leute, die sich Gedanken darüber machen, wie man mit einem Gast drehen kann, wie man ein Set benutzt, wie man all die Möglichkeiten, die wir haben, zum Besten nutzt. Und das sind eben keine Verwalter, sondern Gestalter.
Was sollten Menschen unbedingt über Deutschrap wissen?
Die Rap-Protagonisten, die die meisten Schlagzeilen machen, stehen nicht stellvertretend für DEN Deutschrap. Deutschrap ist so facettenreich und aufgefächert, dass sich da die unterschiedlichsten Biografien, Hintergründe und Geschichten verbergen. Im Grunde ist die Szene des Deutschraps ein sehr guter Querschnitt der Gesellschaft. Sicher gibt es Kriminelle, Frauenschläger und Drogendealer, die immer in den Schlagzeilen sind, also die Rüpel-Rapper, Gangster-Rapper und Hass-Rapper. Es gibt aber eben auch unglaublich sozialkritische, intelligente Künstler, die eigentlich Kommentatoren unserer Gesellschaft sind. Es gibt sogar Soziologievorlesungen auf Beat. Es gibt sehr intellektuelles Zeug genauso, wie es sehr populäres Zeug gibt, was gleichzeitig aber auch die größte Aufmerksamkeit genießt.
Das Interview führte Jan Aimene.
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Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen und Seminaren im Bachelor-Studiengang Online-Redaktion an der TH Köln.
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