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Ein Flüchtlingslager als Setting für ein Spiel?

Screenshot „Refugees – 4 Monate, 4 Camps“

Die Flüchtlingsprobleme sind weltweit allgegenwärtiger denn je: noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie derzeit. ARTE dokumentierte das Leben in den Flüchtlingscamps Beldangi in Nepal, Kawergosk im irakischen Kurdistan, Burj el-Barajneh im Libanon und Breidjing im Tschad. Mit der für den Grimme Online Award in der Kategorie Wissen und Bildung nominierten Web-Reportage „Refugees – 4 Monate, 4 Camps“ kann nun der Nutzer dieses Material verwerten und eine eigene Reportage erstellen. Projektmanager Donatien Huet erläutert die Idee der spielerischen Umsetzung dieses ernstes Themas.

Wie kam es zu dem Projekt „Refugees – 4 Monate, 4 Camps„? Was ist die Intention dahinter?

Unsere Feststellung: So viele Menschen wie noch nie sind zurzeit auf der Flucht aus ihrer Heimat. Viele von ihnen finden Zuflucht in Flüchtlingslagern, in Zelten, Hütten oder improvisierten Unterkünften. Wir wollen mit diesem Spiel das komplexe Leben in Flüchtlingscamps zugänglich machen, die Realität der Flüchtlinge greifbar zu machen. Neben den Beiträgen von Künstlern – Filmemachern, Fotografen, Autoren und Zeichnern – war uns wichtig, auch den Web-Nutzer zu einem Akteur zu machen und ihn nicht mit der bloßen Zuschauerrolle abzuspeisen. Viel mehr als ein Spiel ist dieses „Newsgame“ ein Lernprozess. Jede gesichtete Sequenz birgt eine Vielzahl von Informationen. Sie müssen entweder ausgesondert oder eingebaut werden in die eigene Schnittfolge, die eigene ‚Reportage‘ des Spielers. Es geht also ums Suchen, Finden, Zuhören, Sehen und ums Auswählen und Zusammenbauen – voilà die Idee des Spiels.

Screenshot zum Spiel "Refugees – 4 Monate, 4 Camps"

Screenshot-Ausschnitt zum Spiel „Refugees – 4 Monate, 4 Camps“

Was steckt genau hinter diesem interaktiven Konzept?

Ein Flüchtlingslager als Setting für ein Spiel? Soll das etwa ein Witz sein? Der Versuch, einen Buzz loszutreten? Als wir das Projekt starteten, da war uns schon bewusst, was uns erwarten würde. Haben wir Journalisten es etwa satt, Ihnen das ewige Schauspiel vom Elend in der Welt als Happen vor die Füße zu werfen – und amüsieren uns jetzt darüber? Wie können Sie es wagen, mit der Not von Millionen von Flüchtlingen zu spielen? Die Antwort ist einfach und hat hauptsächlich zwei Argumente: Zunächst einmal ist ein „Newsgame“ ein im Netz weit verbreitetes Format für die verschiedensten „ernsten“ Themen wie Konflikte, Naturkatastrophen oder soziale Spannungen. Außerdem bietet unsere „Reportage zum Spielen“ auch die Möglichkeit, den Web-Nutzer in eine Situation hineinzuprojizieren: Der spielende Nutzer wird sozusagen zu einem Reporter unserer Redaktion. Und wie jedes Metier hat auch unser Beruf Spielregeln: einen Rahmen, Regeln, Kriterien, Erfolge und Misserfolge.

Donatien Huet vom Projekt Refugees – 4 Monate, 4 Camps; Foto Grimme-Institut /  Jens Becke

Donatien Huet von „Refugees – 4 Monate, 4 Camps“; Foto Grimme-Institut / Jens Becker

Bringen Sie uns bitte kurz Ihre Arbeitsweise etwas näher. Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus?

Für dieses Projekt fungierte ich als eine Art Schweizer Taschenmesser: Ich habe das Projektmanagement übernommen sowie Dreharbeiten vor Ort, habe mich um das Schneiden, das Spielszenario, das Publizieren und das Programmieren gekümmert – zusammen mit den Redaktions-, Produktions- und Entwicklungsteam. Das waren ein Grafiker, ein Game-Designer und ein Programmierer.

Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie?

Das Team und ich freuen uns sehr über die Nominierung unseres großen Projekts, das viel Mühe und auch Zeit gekostet hat. Wenn man ein Webprojekt beginnt, ist es immer schwer einzuschätzen, wie die Resonanz sein wird, vor allem im Internet – einem stark konkurrierenden Raum. Die Nominierung zeigt uns, dass wir nicht ganz falsch lagen und unser Projekt Gefallen findet.

Wie könnte sich ein Gewinn des Grimme Online Award positiv für „Refugees – 4 Monate, 4 Camps“ auswirken? Was erhoffen Sie sich auch in Hinblick auf potentielle neue Projekte?

Ein Gewinn wäre für uns eine große Ermunterung, weiterhin Neuerungen im Bereich Online-Storytelling einzuführen und über Themen wie Menschenrechte, Konflikte, Solidarität weiter zu berichten. Außerdem wird das „Refugees“-Projekt nicht von heute auf morgen aufhören, sondern läuft weiter: Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag und wir werden ein Dossier veröffentlichen, in dem wir zeigen, was heute aus den vier Flüchtlingslagern seit unseren Besuchen zwischen September 2013 und September 2014 geworden ist.

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