„Augmented are go!“
Stimmt schon: Das Reglement des Grimme Online Award ist inhaltlich geprägt. Vergeben wird er in den vier Wettbewerbskategorien Information, Wissen und Bildung, Kultur und Unterhaltung sowie Spezial. Ein Publikumspreis und der KI Sonderpreis kommen hinzu.
Aber manchmal lohnt der Blick durch die „Formatbrille“, so ist in diesem Jahr festzustellen, dass einige „Augmented Reality“ (AR) Anwendungen beim Grimme Online Award eingereicht wurden. Sie nutzen Technologien, die ihren ganz großen Hype vermutlich vor rund zehn Jahren hatten, zu Zeiten von „Pokémon Go“. Handelt es sich hier bloß um einen Wettbewerbstrend oder vielleicht schon eine kleine Renaissance? Und was waren noch mal AR-Anwendungen?
„Augmented Reality“-Anwendungen „erweitern“ die Realität und ergänzen bspw. den Blick durch die Kamera des Mobilfunkgeräts durch ortsbezogene Zusatzinformationen oder – wie im Falle von „Pokémon Go“ – durch Spielfiguren oder besondere Objekte, die es einzusammeln gilt.
Zahlenmäßig stark bei den Einreichungen vertreten waren in diesem Jahr auch Games, vor allem lernoptimierte „Serious Games“, die hier ausschnittweise vorgestellt werden sollen – ein weiterer „Formattrend“?
„Erweiterte“ Erinnerungskulturen, 3D und Games
Mit der „Stolpersteine NRW“ App war der WDR bereits 2023 erfolgreich, in diesem Jahr ist die „Zeitzeugen 1945 – Trümmerjahre in Augmented Reality“ App vom WDR eingereicht, die sich vor allem mit dem Leben und Überleben in der Nachkriegszeit auseinandersetzt. Sechs Zeitzeug*innen erzählen hier 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs von den existentiellen Herausforderungen ihrer Kindheit: von Hunger und Kälte, von der Arbeit als Trümmerfrau, von Trauma und Verfolgung. Die „Zeitzeugen 1945“ App adressiert insbesondere jüngere Zielgruppen und wurde partizipativ mit einem Kurs der Gesamtschule Neuss entwickelt.
Zum Beitrag in der Tagesschau.
Die Initiative „Erlebe Berliner Forschung in 3D!“ ermöglicht es, Berliner Forschungsprojekte virtuell zu erleben. Mittels eines Smartphones und eines QR-Codes können 3D-Objekte aus verschiedenen Forschungsbereichen, wie Nanosatelliten, Schwarmintelligenz, grüne Chemie und Demokratie, in die eigene Umgebung platziert werden. So kann man spielerisch in die Fragen eintauchen, mit denen sich Forschende in Berlin beschäftigen. Der QR-Code führt zu einer Website, wo die 3D-Objekte der Freien Universität Berlin in der Umgebung platziert werden können.
Wie können wir uns an Ereignisse erinnern, die wir nicht erlebt haben? Was hat Geschichte mit mir zu tun? Diesen Fragen geht das Digital Remembrance Game „Erinnern. Die Kinder vom Bullenhuser Damm“ nach.
Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird die Geschichte des Ortes und die Bedeutung von Erinnerung mittels eines Games vermittelt, ohne sie durch immersive Spieleffekte zu überwältigen. Das Spiel versetzt in die Perspektive von Schülerinnen und Schülern der Schule Bullenhuser Damm um 1979. Diese entdecken Spuren, die sie in die NS-Vergangenheit führen und sie über Geschichte und Erinnerung nachdenken lässt. Durch die Interaktion mit anderen Figuren und die Integration verschiedener Zeitebenen entsteht für die Spielerinnen und Spieler ein individuelles Erinnerungsnarrativ aus einer persönlichen Perspektive. Das Spiel wurde von der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen gemeinsam mit Paintbucket Games entwickelt, unterstützt durch die Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm e.V. und gefördert von der Alfred Landecker Foundation.
Spielerisch Lernen
„Das Ilios Experiment“ ist ein narratives Mobile Game für Jugendliche und junge Erwachsene, das Toleranz, Inklusion und demokratische Teilhabe interaktiv erfahrbar macht. In einer retrofuturistischen Spielwelt übernehmen die Spieler*innen die Rolle eines Neuankömmlings in der Modellstadt Ilios, einer Stadt, die sich als toleranteste Gesellschaft der Welt versteht. Doch ist sie das wirklich? Das Spiel verbindet narrative Entscheidungsprozesse mit innovativen Reflexionselementen wie der „Inneren Stimme“, reaktiven Minispielen zur Emotionsregulation und einem stressbasierten Schwierigkeitsgrad. Ein barrierearmer Spielmodus, vollständige Vertonung in Deutsch und Englisch sowie umfangreiches, kostenfreies Unterrichtsmaterial ermöglichen eine flexible Einbindung in formale und non-formale Bildungssettings.
„Der gewaltige Nieser“ ist ein Point & Click Spiel für Kinder, Jugendliche und natürlich alle anderen Kunstbegeisterte: Ein gewaltiger Nieser stürzt eine Caspar David Friedrich-Ausstellung ins Chaos, woraufhin die drei Freund*innen Kaspar, David und Friederike alles unternehmen, die Ausstellung zu retten. Das „Serious Game“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Verbund der Hamburger Kunsthalle, Staatliche Kunstsammlungen Dresden und der Nationalgalerie in Berlin und wurde anlässlich für das 250-Jährige Jubiläum von Caspar David Friedrich’s Geburtstag entwickelt. Junge Zielgruppen können das Leben und Schaffen des Malers entdecken, aber auch den Ort des Museums auf spielerische Weise kennenlernen.
Ein weiteres „Serious Game“ ist das mobile Spiel THE FEED der Baden-Württembergischen Landesanstalt für Kommunikation. In vier Kapiteln werden Jugendliche hier spielerisch dafür sensibilisiert, inwieweit ihre Social Media-Benutzeroberfläche (engl. Feed) auf ihren Aktivitäten und Datenspuren im Internet basiert, die von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz gesammelt und verwendet werden. Dazu schlüpfen die Spieler*innen in die Rolle einer Praktikant*in in einem großen Social Media-Konzern und übernehmen die Kontrolle über den Feed verschiedener Zielpersonen. Dabei entscheiden sie, welche Inhalte diesen Usern angezeigt werden und versuchen, diese möglichst lange online zu halten. Alles, was zählt, sind Aktivität der User und finanzieller Umsatz durch individualisierte Werbung.
Fazit und Vertiefung
Sind AR Anwendungen also „nur“ Wettbewerbstrend oder erleben sie vielleicht schon eine kleine Renaissance? Das lässt sich noch nicht beantworten. Klar ist aber: Grimme und Games? Passt besser, als man denkt! Das belegen nicht nur die zahlreichen Einreichungen in diesem Jahr, sondern auch die Preispublikation aus dem Jahr 2016, die damit so alt ist wie der „Pokémon Go“ Hype. Sie setzt sich mit dem Thema Games (und spielerische Anwendungen) aus publizistischer Perspektive auseinander und steht hier zum kostenfreien Download zur Verfügung.
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